Interview mit Frau Freidl

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In der Reihe "Menschen im BGM" wird heute Frau Nicole Freidl von Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen vorgestellt.

Gesundheitsmanagement bei Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen

Interview mit Frau Freidl – Von der Chefsekretärin zum Betrieblichen Gesundheitsmanagement

Nicole Freidl von Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH
Nicole Freidl von Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH

Frau Freidl macht seit sechs Jahren BGM. Sie meint selbst, dass sie nicht gedacht hätte, „dass wir so lang durchhalten und so viel erreichen“.

 

Wie ich Frau Freidl kennengelernt habe

Persönlich sind wir uns nur einmal kurz auf einem Kongress begegnet, aber per Email hatten wir schon intensiveren Kontakt: 2011 nahm Frau Freidl an einem Seminar („Gesundheitsorientiertes Führen“) teil; es fand in Marktheidenfeld statt und wurde von der Holz- und Metall-BG durchgeführt. Danach trug sie sich in meinen Newsletter ein und erfuhr so von do-care.tv. Daraufhin wollte sie diese kostenlosen Videos ins Intranet integrieren.

Was ist das Besondere an Ihrer Arbeit?

Ich freue mich total, dass meine Tätigkeit wenig mit Routine zu tun hat. Es sind immer wieder neue Aktionen, neue Herausforderungen, andere Menschen, mit denen ich zu tun habe, neue Gesetze, neue Fördermöglichkeiten, neue Leitfäden.

Und es sind eigentlich nur positive Dinge, die ich unseren Mitarbeitern anbieten kann.

 

Was ist Ihr Erfolgsrezept?

Ich bin authentisch, fühle mich als „normaler Mitarbeiter“. Mit-Turner sein und nicht Vor-Turner, das ist meine Empfehlung. Ich möchte den Kollegen/innen auf Augenhöhe begegnen und vertrauenswürdig sein.

Wenn mir die Leute nichts erzählen, kann ich ihnen auch nichts Konkretes anbieten.

Ich kenne viele von den ungefähr 2.000 Mitarbeitern; und vor allem: Die kennen mich!

 

Wie kamen Sie überhaupt zum BGM?

Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH
Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH

Ich bin gelernte Industriekauffrau. Zunächst habe ich als Sekretärin gearbeitet, dann war ich Mitarbeiterin im Personalwesen in verschiedenen Firmen. Seit 2004 bin ich jetzt bei der Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen GmbH, und zwar zunächst als Chefsekretärin. Nach der Elternzeit habe ich in der Personalabteilung angefangen, die Erfahrung dafür brachte ich ja von früher mit.

Dann kam die Überlegung auf, dass das Thema „Gesundheit“ einen immer höheren Stellenwert in unserem Unternehmen bekommt, so dass es nicht mehr nur nebenbei bewältigt und vor allem vorangetrieben werden kann. So fragte mich unser Personalleiter, ob ich mir vorstellen könnte, diese Themen eigenständig zu bearbeiten. Nachdem ich mich entschieden hatte, das Angebot anzunehmen, habe ich einige Veranstaltungen zum Thema Gesundheitsmanagement besucht, z. B. Health on Top von Skolamed, einen Kongress von Euroforum, ein Haufe-Seminar zum Thema Fehlzeiten usw.

Als ersten Schritt habe ich das bestehende BGF auf seine Wirksamkeit hin überprüft und bin diesbezüglich zu der Überzeugung gelangt, dass es für das Unternehmen sinnvoller vor allem nachhaltiger wäre, ein BGM einzuführen.

Also mehr Themen im Betrieb, auch auf der Verhältnis-Ebene, nicht mehr nur den Obstkorb oder anderweitige betriebliche Gesundheitsfördermaßnahmen.

Im Rahmen eines mehrtägigen Workshops haben wir gemeinsam mit einer namhaften Beraterfirma aus der Gesundheitsbranche ein Konzept für die Umsetzung des BGM in unserer Firma erstellt, das dann anschließend von unserer Geschäftsführung genehmigt wurde. Und dann konnten wir loslegen.

 

Worauf sind Sie besonders stolz?

Professor Ilmarinen, Yvonne Maier, Nicole Freidl und Dr. Jürgen Tempel
von links: Professor Ilmarinen, Yvonne Maier, Nicole Freidl und Dr. Jürgen Tempel

Dass sich das BGM bei uns so fest etabliert hat und nicht mehr wegzudenken ist. Wenn das jemand streichen wollte, würden die Mitarbeiter es ganz bestimmt einfordern.

Besonders stolz bin ich auf unser Projekt zum „Haus der Arbeitsfähigkeit“ und auf die Zusammenarbeit mit Herrn Prof. Ilmarinen und Herrn Dr. Tempel. Und dass wir oft eingeladen werden, um unser BGM vorzustellen. Wenn ich heute auf der Health on Top  oder anderen BGM-Veranstaltungen bin, kennt man uns.

Wir haben die alten BGF-Angebote (Betriebliche Gesundheitsförderung) zum Teil behalten. Insgesamt haben wir 4 Säulen:

  1. Basisangebot: Sozialberatung, Obstkorb, Gesundheitskurse usw.
  2. Bedarfsbezogene Angebote: z. B. Nichtraucher- oder Ernährungstraining
  3. Pro Jahr 1 Fokusthema: Muskel-Skelett- oder demnächst Atemwegserkrankungen
  4. Demografie: Das ist der Ansatz von Professor Ilmarinen mit dem „WAI 2.0“; er war schon mehrmals bei uns im Haus; meine Kollegin und ich haben uns zu Facilitatoren ausbilden lassen und mit einem Projektteam Maßnahmen am Arbeitsplatz eingeleitet, z.B. Arbeitsabläufe so angepasst, dass kontinuierliches Arbeiten möglich ist; oder Zughilfen eingerichtet, höhenverstellbare Tische etc. Das Projekt „Haus der Arbeitsfähigkeit“ war in dem Pilotbereich, in dem es getestet wurde, so erfolgreich, dass die Geschäftsführung entschieden hat, das „Haus der Arbeitsfähigkeit“ in allen Fertigungsbereichen durchzuführen.

Innerhalb von 2 Jahren haben wir unseren Wert im „WAI 2.0“ von 6,2 auf 7,0 verbessert.

 

Wie haben Sie es geschafft, Gesundheitsmuffel zu Gesundheitsfans zu machen?

Das ist nicht einfach, geht nicht von heute auf morgen und ist eine dauerhafte Aufgabe. Die Leute müssen merken, dass für jeden etwas dabei ist, und dass es für alle etwas Positives ist. Dass es nur etwas Gutes bringen kann. Ich achte auf qualitativ hochwertige Angebote, so dass man einfach ausprobieren kann, ob etwas für einen dabei ist, so dass auch skeptische Mitarbeiter überzeugt werden.  Zudem bieten wir unseren Mitarbeitern wenn es erforderlich ist, individuell abgestimmte Gesundheitsprogramme an. Hierbei arbeiten wir eng mit unserem Betriebsarzt  und Krankenkassen zusammen.  Mit unseren Maßnahmen ist es uns gelungen, die Eigenverantwortung für ihre Gesundheit bei unseren Mitarbeitern deutlich zu erhöhen.

Wir haben vor unserer Betriebskantine einen Bildschirm installiert, auf dem die aktuellen Angebote des BGM dargestellt werden. Dafür erstelle ich wöchentlich eine Präsentation. Und wir ermutigen auch zu Gruppenaktivitäten:

Wenn uns Teams Fotos zur Verfügung stellen, z.B. von einer gemeinsamen Wanderung oder Radtour, sponsern wir solche Aktionen mit 10 Euro pro Person und zeigen die auch auf unserem Bildschirm.

Wir  informieren die Mitarbeiter regelmäßig auf der Betriebsversammlung über unsere Vorhaben und Angebote. Außerdem gibt es Aushänge, Emails an alle und unser Gesundheitsportal haben wir für alle Mitarbeiter sichtbar im Intranet installiert.

 

Was treibt Sie persönlich an?

Verschiedene Erfolge: dass z. B. Mitarbeiter mithilfe unseres Kursangebots Nichtraucher geworden sind oder sie gezielt auf ihre Ernährung achten und sich mehr bewegen. Oder weil sie erfolgreich abgenommen haben. Die stetig steigenden Teilnehmer-Quoten spornen mich natürlich auch an. Ein weiterer Aspekt ist das positive Feedback an mich und an den Arbeitskreis BGM, der hausintern „BGM-Team“  genannt wird. Darin sitzen neben mir zwei Kollegen aus der Personalabteilung  – davon eine  Projekt-Leiterin zum „Haus der Arbeitsfähigkeit“, unsere Sozialberaterin, der Werksarzt, ein  Mitarbeiter aus der Arbeitssicherheit, ein Kollege aus dem Bereich Marketing und ein Betriebsrat.

 

Wer unterstützt Sie?

Mein Vorgesetzter, der Personalleiter; das BGM-Team, also der Arbeitskreis; die Mitarbeiter und Teilnehmer durch positives Feedback. Und unsere Führungskräfte, die in einem Einführungsseminar „Gesund führen“ für das Thema sensibilisiert worden sind. Unsere externen langjährigen Dienstleister und die Krankenkassen, die unsere Angebote auch finanziell fördern.

Eine ganz besonders wichtige Rolle bei der erfolgreichen Umsetzung des BGM spielt hierbei die Geschäftsführung, die mich in allen Belangen voll unterstützt und die entsprechenden Ressourcen für die unterschiedlichen Maßnahmen und Projekte freigibt.

Ganz wichtig ist auch die Unterstützung des Betriebsrats, der nah an der Belegschaft und ihren Problemen dran ist und unsere Themen und Angebote so vermitteln kann, dass die Mitarbeiter Vertrauen haben.

 

Hatten Sie anfangs Zweifel? Wie haben Sie die überwunden? Was ist das Schwierige an Ihrer Arbeit?

Klar hatte ich anfangs Zweifel! Die Mitarbeiter waren skeptisch, die Führungskräfte waren skeptisch und haben Mehrarbeit befürchtet, und anfangs war auch die Teilnehmerquote teilweise nur gering. Da war ich dann auch skeptisch.

Meine Kenntnisse von der Thematik BGM waren zu Beginn sehr begrenzt, und ich war zu dieser Funktion sozusagen wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. Und wenn eine kritische Frage kam, war ich manchmal ganz schön verunsichert. Geholfen hat mir die Ausbildung zur Fachkraft für BGM, die über ein halbes Jahr ging. Seitdem läuft alles viel professioneller ab und ich kann die Themen in alle Richtungen besser vertreten und darstellen.

Und ich habe die Zweifel überwunden durch positives Feedback der Mitarbeiter und auch durch die Akzeptanz und das Vertrauen meiner Vorgesetzten, die mir meist freie Hand lassen.

Es ist manchmal ganz schön schwierig, Gesundheitsförderung und BGM unter einen Hut zu bringen. Mein Tipp für Neulinge lautet: Mindestens 2 Jahre durchhalten – wenn man das geschafft hat, hat man eine gute Basis geschaffen und dabei viel gelernt!

 

Wo haben Sie Ihre Ausbildung zur Gesundheitsmanagerin gemacht?

2013 bei der BSA-Akademie. Nach der Abschlussprüfung habe ich dann das IHK-Zertifikat „Fachkraft für BGM“ erhalten.

Oliver Walle war mein Ausbilder, mit ihm haben wir inzwischen auch im Betrieb schon  zusammengearbeitet. Er hat eine Ergonomie-Analyse an Arbeitsplätzen in der Produktion  durchgeführt. Das war eine super Maßnahme, da zahlreiche Ablaufprozesse ergonomisch optimiert werden konnten.

 

Was würden Sie Neulingen im BGM raten?

Zuerst einmal schauen, was es schon im Haus gibt und wie die Resonanz darauf ist. Und vor allem: Wo Probleme  und Bedarfe liegen.

Dann einen Arbeitskreis mit Experten gründen.

Und sich dann Unterstützung ins Haus holen – evtl. durch die Krankenkassen, und dann gemeinsam mit passenden Dienstleistern zielgerichtete Maßnahmen umsetzen. Das Wichtigste ist jedoch, dass Geschäftsführung und Personalleitung dahinter stehen und die Freiräume schaffen, um ein zielgerichtetes BGM aufbauen zu können.

 

Und was tun Sie für Ihre eigene Gesundheit?

Ich mache Pilates, Nordic Walking mit meinem „Schweinehund“, und ich mache selbst mit bei  unseren betrieblichen Gesundheitsangeboten.

Mit Problemen aufräumen, finde ich gesund.

Genießen, mir Zeit für meine Freunde und für mich selbst nehmen. Körper und Seele in Einklang bringen.

Liebe Frau Freidl, vielen herzlichen Dank für diesen spannenden Einblick in Ihre Arbeit! Und weiterhin so viel Erfolg!

 

Mein Fazit:

Die Arbeit von Frau Freidl bei Liebherr-Hausgeräte Ochsenhausen ist ganz sicher außergewöhnlich. Mir persönlich ging es auch so, dass ich schon vorher auf unterschiedlichsten Tagungen immer wieder von ihrem BGM gehört hatte. Wie beruhigend, dass aber auch hier nichts von heute auf morgen passiert ist. “Durchhalten” zieht sich wie ein Leitmotiv durchs BGM.

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Das nächste Interview aus der Reihe “Menschen im BGM” erscheint voraussichtlich im Januar 2017.

Ich freue mich wirklich sehr, wenn Sie Lust haben, hier einen Kommentar zu hinterlassen – quasi “als Mensch im BGM” für andere “Menschen im BGM” 🙂

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