Gelber Schein (AU-Bescheinigung)
DAS FEHLZEITEN-GLOSSAR
Klassisches
Fehlzeiten-Management
Der sog. gelbe Schein, die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung, darf in Deutschland von Ärzt*innen und Psychotherapeut*innen ausgestellt werden.
Der Arbeitgeber darf selbst entscheiden, ob Arbeitnehmende den gelben Schein bereits am ersten Erkrankungstag vorlegen müssen.
In den meisten Unternehmen gilt:
Erst ab drei Fehltagen ist ein Attest erforderlich.
Das heißt: Dort hat man erkannt, dass es sinnvoll sein kann, wenn Menschen ab und zu einen oder zwei Tage daheimbleiben.
Oft wissen die Menschen, was ihnen gerade fehlt (zum Beispiel Frauen einmal pro Monat). Sich dann jedes Mal für ein Attest in ein vollbesetztes Arzt-Zimmer zu schleppen und dort womöglich bei den Mit-Wartenden anzustecken - das ist nicht nur in Corona-Zeiten eine unattraktive Vorstellung.
Wie Sie in diesem Artikel lesen können, gibt es u.a. eine Schweizer Versicherung, die die Vorlage einer ärztlichen Bescheinigung erst nach Fehlzeiten verlagt, die länger als 2 Wochen dauern:
https://www.do-care.de/blaumachen/
Das halte ich persönlich für sehr sinnvoll. Zumindest ist es ein großer Vertrauensbeweis seitens des Betriebs.
Dass Attestpflicht ab dem 1. Tag nur in besonderen Fällen sinnvoll ist, können Sie hier nachlesen (incl. Fall-Beispiele):
Ausgenutzt werden solch großzügige und Verantwortung übertragende Regelungen nur da, wo das Klima im Argen liegt und die Beziehung zwischen Führungskraft und Team-Mitglied nicht stimmt. Das ist meine Beobachtung.
Übrigens: Der gelbe Schein beinhaltet lediglich eine Prognose über die voraussichtliche Dauer der Arbeitsunfähigkeit.
Viele Führungskräfte befürchten, dass der Versicherungsschutz gefährdet ist, sobald ein Team-Mitglied vor Ablauf der dort angegeben Frist am Arbeitsplatz erscheint.
Das ist nicht korrekt.
Der Versicherungsschutz besteht dennoch.
© Dr. Anne Katrin Matyssek
ZIEL-ORIENTIERTES POSITIVES
Fehlzeiten-Management (ZOFZM)
Leider sieht unser aktuelles Krankschreibe-System nur Vollzeit-Erkrankungen vor.
Im ziel-orientierten positiven Fehlzeiten-Management wird - wenn überhaupt - eine flexiblere Ausgestaltung des gelben Scheins als konstruktiv angesehen:
Eine Teilzeit-Krankschreibung könnte zu einem deutlich flexibleren Umgang mit Fehlzeiten beitragen. Dies wäre auch im Sinne der Produktivität.
Auch der Sachverständigenrat forderte schon 2015 die Einführung einer Teilzeit-Krankschreibung - und damit eine Veränderung in Sachen "gelber Schein" (abgerufen am 13.06.2021).
Es heißt zum Beispiel:
"Die jetzige Praxis der Krankschreibung ist realitätsfern"
Speziell für psychisch erkrankte und für Langzeit-Kranke wäre eine flexible Bemessung der Krankschreibung sinnvoll.
Und fürs Unternehmen wäre ein solches Vorgehen auch in finanzieller Hinsicht lohnend, wie die Grafik unten zeigt.
Und beim BEM geht das ja schließlich auch.
In der Praxis ist mir noch etwas Anderes aufgefallen:
Und viele Führungskräfte fühlen sich durch die Vorlage eines gelben Scheins entlastet.
Besonders groß ist die Erleichterung, wenn eine Attest über mehrere Tage vorliegt.
Da ist dann zu hören:
"Die Meier ist AU. Da kann ich ja nichts machen."
Wer das ziel-orientierte Fehlzeiten-Management ernst nimmt, geht dann erst recht mit Frau Meier ins Gespräch ... auch damit sie Lust hat, gegebenenfalls vor Ablauf der Progrognose zurückzukehren. Natürlich nur, sofern sie damit nicht ihre Genesung gefährdet.
Meine Beobachtung lautet jedenfalls: Wenn Führungskräfte sich die dichotome Denke unseres Krankschreibesystems zu eigen machen und nur in "total krank" und "total gesund" denken, dann denken die Mitarbeitenden genauso. Und diese Mitarbeitenden bleiben dann eben nach einer Muttermal-Entfernung drei Tage daheim.
© Dr. Anne Katrin Matyssek