Menschen, die eine Leistung erbringen, die den Erwartungen der Führungskraft nicht entspricht, können diese vor eine Herausforderung stellen, was Lob und Anerkennung angeht. Hier lesen Sie, wie mit solchen Situationen umgehen können.
Das Wort “Minderleister” sagt mehr über die Führungskraft aus als über den Mitarbeiter / die Mitarbeiterin …
Vielleicht geht es Ihnen ja ähnlich wie mir: Bei dem Wort “Minderleister” läuft es mir kalt den Rücken runter. Natürlich gibt es unmotivierte Menschen, ja. Aber die Sprache verrät quasi den Fokus, mit dem jemand auf die Welt oder den Betrieb schaut. Und auch, wie derjenige einen Menschen betrachtet. In vielen Betrieben geistert beispielsweise seit einigen Jahren das Wort „Minderleister“ umher.
Der Ausdruck “Minderleister” impliziert die Abwertung einer Person, noch dazu in Form einer Festschreibung. Als gäbe es keine Veränderungsmöglichkeit. Als würde der Mensch auf immer und ewig miese Arbeit abliefern. Und als wäre alleine der Beschäftigte schuld, wenn seine Leistung nicht stimmt. Dabei hat ihn doch jemand auf diesen Posten gesetzt!
Minderleistung?! Heißt: Jetzt im Augenblick stimmt die Passung nicht!
Es ist wesentlich menschenfreundlicher, wertschätzender und konstruktiver stattdessen von einem Menschen zu sprechen, der „eine Minderleistung“ erbringt – im Augenblick, in diesem Team, unter dieser Führungskraft, auf diesem Arbeitsplatz mit diesem Aufgabenbereich.
Sprich: später, in einem anderen Team, unter einer anderen Führungskraft oder an einem anderen Arbeitsplatz mit einem anderen Aufgabenbereich kann dieser Mensch vielleicht Top-Leistungen erbringen.
Das ist mehr als Wortklauberei. Es hat Konsequenzen für den Umgang mit diesem Menschen. Wer davon ausgeht, es mit einem „Minderleister“ zu tun zu haben, der stellt das Denken ein. Er hat ja einen Schuldigen gefunden.
Wer vom “Minderleister” spricht, stellt das Denken ein.
Wer hingegen von einer „Minderleistung“ spricht, der wird nach Wegen suchen (idealerweise mit dem Kollegen gemeinsam), wie dieser Mensch sich besser entfalten kann, so dass letztlich alle etwas davon haben. Er wird vielleicht nach den Stärken des Kollegen fragen – statt auf seinen Schwächen herumzureiten – und ihm andere Aufgaben zuteilen, die seinen Neigungen und Fähigkeiten besser entsprechen.
Okay, es mag auch Menschen geben, die auf keinem Arbeitsplatz akzeptable Leistungen abliefern. Aber die sind wirklich sehr selten. Dann bleibt auch immer noch die Frage, ob die nicht vielleicht in einer anderen zwischenmenschlichen Umgebung (Team, Chef/in) zu Besserem in der Lage sind.
Es gibt keine hoffnungslosen Fälle – auf keiner Seite.
Die wenigsten sogenannten Low Performer sind wirklich hoffnungslose Fälle (denken Sie nur an Lehrerwechsel in der Schule, der manch einen zum Aufblühen bringt). In der Regel ist eher die falsche Person am falschen Ort. Die Passung stimmt nicht. Vielleicht braucht der Mensch eine Schulung, eine Job-Rotation, eine andere Abteilung, andere Arbeitszeiten. Manchmal wirkt schon die Frage „was brauchst du, um dich hier wohler zu fühlen?“ Wunder! Der Mensch fühlt sich gesehen und Ernst genommen. Er weiß auch, dass seine Führungskraft nicht einfach den Traumarbeitsplatz herbeischnipsen kann. Aber die Frage danach überrascht und freut die meisten.
Vielen Führungskräften käme so eine Frage trotzdem nicht über die Lippen. Im Gegenteil ernte ich in Seminaren bei diesem Vorschlag oft Empörung: „Den soll ich auch noch wertschätzen?! Der macht mir doch das Leben schwer! Mit so einer Frage belohne ich den noch für seine Faulheit!“ Eine Führungskraft, die so argumentiert, betrachtet ihre Aufmerksamkeit als Belohnung für gute Leistungen. In dem Moment instrumentalisiert sie diese Form der Anerkennung. Echte Wertschätzung ist das nicht … und Reflektion hierzu lohnt sich.
Zusammengefasst bedeutet “Minderleister” für mich nichts anderes als:
Eine Person erbringt unter DIESER Führungskraft in DIESEM Team bei DIESER Aufgabe eine Minderleistung.
Oder eben einfach: Falsche Person zur falschen Zeit im falschen Team unter der falschen Führungskraft mit der falschen Aufgabe betraut. Und die Führungskraft, die den Ausdruck “Minderleister” in den Mund nimmt, sagt damit im Grunde mehr über sich selbst aus als über den Mitarbeiter oder die Mitarbeiterin.
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